Die Landung der Alliierten in der Normandie 1944
Der 6. Juni 1944, D-Day, der längste Tag, der Wendepunkt im Kriegsverlauf des Zweiten Weltkriegs. Das Deutsche Reich und seine Verbündeten kontrollierten fast das gesamte europäische Festland: Österreich, die Tschechoslowakei, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, weite Teile Frankreichs, Polen, Weißrussland, Serbien, Ungarn, Baltikum, Norwegen etc. waren annektiert oder besetzt. Im Rest Frankreichs herrschte das Vichy-Regime; Kroatien, Italien, Griechenland und Spanien waren faschistisch regiert. Nur Schweiz, Schweden und Irland waren wirklich neutral. Im Osten kämpften die Nazis gegen die Sowjetunion, doch was einmal „neuer Lebensraum im Osten“ hatte werden sollen, holte die Rote Armee sich nun zurück. Und im Westen? Da hielten nur die Briten Adolf Hitler (1889 – 1945) eisern stand, konnten den Atlantikwall, jene Verteidigungslinie, die die Nazis entlang der Nordküste ihres Einflussgebiets errichtet hatten, aber alleine nicht durchbrechen.
Die USA hatten zunächst unbeteiligt am Zweiten Weltkrieg bleiben wollen. Der spätere US-Präsident und damalige Senator im Ausschuss für die Rüstungsproduktion, Harry S. Truman (1884 – 1972) hatte am 24. Juni 1941 in einem Interview mit der New York Times noch geäußert: „Wenn wir sehen, dass Deutschland gewinnt, sollten wir Russland helfen, und wenn wir sehen, dass Russland gewinnt, sollten wir Deutschland helfen, und auf diesem Wege lassen wir sie so viele wie möglich töten.“ Geändert hatte sich diese Haltung mit dem Angriff des mit dem Deutschen Reich verbündeten Japanischen Kaiserreichs auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941. Die USA traten in den Krieg ein, zunächst primär im Pazifik, dann aber im Rahmen einer Anti-Hitler-Koalition auch in Europa. Die Sowjetunion hatte schon lange darum gebeten, die Westalliierten mögen doch eine wirkliche zweite Front aufmachen, und die Briten hatten ihrerseits die Hilfe und Unterstützung der Vereinigten Staaten auch länger erbeten. Neben Briten und Amerikanern waren Kanada, Neuseeland und auch besetzte Staaten wie Frankreich, Polen und Norwegen an der Operation „Overlord“, wie der Angriff offiziell hieß, beteiligt.
Die Wehrmacht rechnete durchaus mit einem Angriff der Westalliierten, allerdings im Nordosten Frankreichs bei Pas-de-Calais, da der Seeweg von Großbritannien über den Ärmelkanal dort, an der Straße von Dover am kürzesten ist. Das Täuschungsmanöver Operation „Fortitude“ bestärkte die deutschen Befehlshaber in diesem Glauben. Tatsächlich sah der Plan der Operation „Overlord“ aber eine Landung in der Normandie bei Cherbourg vor.
Am Morgen des 5. Juni 1944 um 4:30 Uhr in der Früh gab der spätere US-Präsident und damalige General und Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte in Europa Dwight D. Eisenhower (1890 – 1969) mit einem prägnanten „Ok, let’s go“ den Startschuss für Operation „Neptune“, den ersten Teil für die übergeordnete Operation „Overlord“. Am Abend sendete die BBC Auszüge aus einem Gedicht des französischen Dichters Paul Verlaine (1844 – 1896), um der Résistance das Signal für Sabotageaktionen gegen die Besatzer zu geben. Eine Stunde später, um Viertel nach zehn starteten die ersten Transportflugzeuge von Großbritannien aus in Richtung Frankreich und erreichten kurz nach Mitternacht das Zielgebiet, über dem nun die ersten Kommandosoldaten absprangen, deren Aufgabe es war, die Landeplätze für die nachkommenden Fallschirmspringer zu markieren. Zeitgleich begann die Bombardierung deutscher Stellungen aus der Luft. So begann der „längste Tag“.
Um 0:15 Uhr landeten erste Lastensegler im Hinterland der Küste. Sie brachten sowohl Soldaten als auch Material ins Zielgebiet. Die Teiloperation Operation „Tonga“ lief daraufhin an, die 6. Luftlandedivision von Major John Howard (1912 – 1999) nahm dabei mit Gleitern und Soldaten die strategisch wichtigen Brücken über die Orne und den Caen-Kanal bei Bénouville. Die Landungen der Fallschirmjäger liefen an: Die 82. US-Luftlandedivision (Operation „Detroit“) und 101. US-Luftlandedivision (Operation „Chicago“) wurden wegen der Wetterverhältnisse und teils schlecht markierter Landezonen jedoch weit verstreut. Dennoch waren es einige Tausend Soldaten, die nun im besetzten Frankreich landeten.
Um 5:00 Uhr in der früh hatte die alliierte Invasionsflotte den Ärmelkanal überfahren. Die Artillerie der Kriegsschiffe eröffnete bald darauf das Feuer auf die deutschen Stellungen an der Küste. Diese war in mehrere Abschnitte mit Codenamen unterteilt worden. Um 6:30 Uhr begann dann das, was die meisten von uns aus Filmen wie „Der Soldat James Ryan“ kennen: Die Landungsboote des Typs Landing Craft, Vehicle, Personnel (LCVP) oder auch Higgins-Boot steuerte auf die Küsten zu, auch Panzer wurden von Landungsschiffen abgesetzt. Die Invasion begann an den Abschnitten „Utah Beach“ und „Omaha Beach“. Ab 7:00 Uhr folgten „Sword Beach“, „Gold Beach“ und „Juno Beach“. Um 9:00 Uhr gelang trotz heftiger Gegenwehr der Durchbruch am mit 10 km längsten Küstenabschnitt „Omaha Beach“.
Um 9:30 Uhr gab Eisenhower die Landung der alliierten Streitkräfte in der Normandie offiziell in der BBC bekannt. Erst eine halbe Stunde später, um 10:00 Uhr entschieden Hitlers engste Vertraute, dass es vielleicht doch mal an der Zeit wäre, den „Führer“ zu wecken. Der Oberbefehlshaber der Truppen am Atlantikwall, Generalfeldmarschall Erwin Rommel (1891 – 1944) erfuhr von der Invasion daheim in Deutschland, weil seine Frau Geburtstag hatte. Er brach umgehend in die Normandie auf. Um 12:00 Uhr richtete Premierminister Winston Churchill (1874 – 1965) sich in einer Rede ans britische Parlament. Um 18:00 Uhr verkündete Général de brigade Charles de Gaulle (1890 – 1970) in einer Radioansprache von seinem Exil in London aus: „Die Entscheidungsschlacht hat begonnen!“
Am Ende des D-Days waren 156.000 alliierte Soldaten in der Normandie gelandet, es sollten mehr werden: „bis 12. Juni [landeten] 326.000 Mann, 104.000 Tonnen Material und 54.000 Fahrzeuge“. Am 30. Juni waren es schon 850.000 Soldaten. Insgesamt an Operation „Overlord“ beteiligt waren jedoch über 1,5 Millionen. Viele starben an den Stränden oder wurden zumindest schwer verletzt. Die Verluste der Alliierten schätzt man auf 65.700 Tote, 18.000 Vermisste und 155.000 Verwundete, wobei die Verluste der Gegenseite mit 200.000 Toten und ebenso vielen Kriegsgefangenen weit höher lagen. Zeitgleich zum Vormarsch der Westalliierten durch Frankreich startete auch die Rote Armee eine erneute Offensive gegen das nun angreifbare Deutsche Reich. Es war der Anfang vom Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Die Rolle der USA bietet dabei bis heute Anlass zu Diskussionen: Während die Amerikaner sich selbst gerne auf die Fahnen schreiben, sie hätten Europa befreit, werfen Kritiker ihnen ein zu spätes Eingreifen vor. Wieder andere gehen sogar so weit, zu sagen, dass Sowjets, Briten und Widerstandsgruppen in den besetzten Gebieten fünf Jahre lang die ganze Arbeit gemacht hatten und die USA zum Schluss dazustießen, um die Lorbeeren einzuheimsen.
Literatur
Antony Beevor: D-Day – Die Schlacht in der Normandie. C. Bertelsmann, Gütersloh 2010, ISBN 978-3-570-10007-3 (engl. Original, 2009: ISBN 0-670-88703-X).
Will Fowler: D-Day: The First 24 Hours. Amber Books Ltd., London 2003, ISBN 3-85492-855-6 (Fowlers Buch beschreibt ausschließlich die Operation Neptune, dies allerdings mit guter Bebilderung und vielen Karten).
Tony Hall (Hrsg.): Operation „Overlord“. Motorbuch Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-613-02407-1 (engl. Original, 2003: ISBN 0-7603-1607-4; umfassendes Werk internationaler Autoren; das Buch ist thematisch gegliedert).
Helmut K. von Keusgen: D-Day 1944, Die Landung der Alliierten in der Normandie. IMK-Creativ-Verl., Garbsen 2000, ISBN 3-932922-10-7.
Peter Lieb: Unternehmen Overlord. Die Invasion in der Normandie und die Befreiung Westeuropas (=Beck’sche Reihe, 6129). Verlag C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66071-9.
Cornelius Ryan: Der längste Tag. Kaiser, Klagenfurt 1994, ISBN 978-3-7042-2026-4.
Dan Parry: D-Day. Vgs Verlagsgesellschaft, Köln 2004, ISBN 3-8025-1618-4.
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